Thomas Seher

Komposition für Film und Theater

Single „Drei Tage Stromausfall“ von Seher Schuhwerk & Mittekill

 

https://open.spotify.com/track/6M8IT6kqGqyEJ50BbFbcK8?si=lze4QWhnTnmzNz4MePtmjQ

2012 hat der Berliner Elektro-Chansonnier Friedrich Greiling aka „Mittekill“ auf seinem Album „All but Bored, Weak and Old“ eine unscheinbare kleine Hymne versteckt, quasi ohne Beat, mit schnoddrigem Gesang zu Lagerfeuer-Gitarre, die sich bei manchem Fan immer mehr als heimlicher Lieblings-Ohrwurm entpuppte.
Die hier besungene Sehnsucht nach einem Ausnahmezustand, der uns alle gleichzeitig und ohne Verluste an Menschenleben wenigstens für ein paar Tage aus der Komfortzone herauszureissen vermag, traf das Lebensgefühl der 10er Jahre in Zeiten von Peak-Oil, Klimakrise und Medien-Überdosis sehr gut. Eine Neuauflage dieses Indie-Klassikers als tanzbare Version lag schon lange in der Luft.

Der Theaterkomponist Thomas Seher hat bei der Zusammenarbeit mit Mittekill und dem Schweizer-Österreichischen Künstler-Duo „Schuhwerk“ vier umtriebige Musiker miteinander verwoben, um dieses Liebeslied an einen Stromausfall nun neu interpretiert auf seinem Label „Lazy Birds Records“ herauszubringen.

Zunächst verortet sich der Song mit partytauglichem Elektro-Pop auf der Tanzfläche. Friedrich Greiling hat hierfür eine neue Strophe eingesungen, die mit der Frage endet „ Was ist Revolution – ohne Strom ?“.
Danach endet der fette Beat und die Snares einer Marchingband übernehmen. Nachrichten und O-Töne (Linda Zervakis) aus der Zukunft schicken uns plötzlich direkt in den herbeigewünschten Stromausfall, in dem die Party schliesslich mit einem Blas-Orchester auch ohne Strom weitergehen kann.
Die Krankenhäuser hätten Notstrom, dieser Zusatz darf natürlich erstrecht in der aktuellen Version nicht fehlen.
Eine liedgewordene Ahnung, dass Kontaktlosigkeit zwischen den Menschen überwunden werden kann, wenn gewohnte technische Hilfsmittel nicht verfügbar sind, bekommt Gestalt. Begleitet von einer in Überfluss verschütteten Hoffnung, dass ein Leben mit kleinerem Fussabdruck neben der Ressourcenschonung auch dazu führen könnte, sich lebendiger zu fühlen.
Der Ausnahmezustand, der die Welt seit 2020 heimsucht, hat stattdessen mit dem endgültigen Abtauchen ins Digitale unsere Abhängigkeit vom Strom auf die Spitze getrieben und uns alle nachhaltig kontaktgestört. Bis wir uns wieder unbeschwert begegnen und zusammen tanzen können, wird es noch etwas dauern. Wieviel Gutes der Zwang, improvisieren zu müssen, hervorbringen kann, ist noch nicht ganz klar.
Eines ist aber ziemlich sicher: Ausnahmezustände werden zur neuen Normalität.

 

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